Digitalisierung kompakt: Autonomes Fahren

Autonomes Fahren ist ein Megatrend. Was verbirgt sich hinter Autonomen Fahren, Warum ist das Autonome Fahren wichtig und Wie funktioniert Autonomes Fahren eigentlich?

Eine Einordnung der wichtigsten Begriffe, Fakten und aktuellen Trends.

Was: Autonomes Fahren?

Was: Autonomes Fahren?

Als Autonomes Fahren wird das automatische (selbständige), zielgerichtete Bewegen von Fahrzeugen verstanden. Der Begriff der Selbständigkeit bezieht sich auf die automatisierte Steuerung des Fahrzeugs (Treiben, Bremsen, Navigation/Lenken).

Autonomes Fahren wird für Schienen- und Straßenfahrzeuge diskutiert, im erweiterten Sinne auch für Schiffe und Luftfahrzeuge (Flugzeuge resp. Drohnen) sowie für mobile Haushalts- und Gartengeräte. Im Schienenverkehr wird Autonomes Fahren als Automatic Train Operation (ATO) bezeichnet.

Ironie der Technikgeschichte: Das „Automobile“ wurde schon einmal in seiner Entstehungszeit Ende des 19.Jh. als autonom fahrendes Fahrzeug („Selbstbeweger“) bezeichnet – damals weil der neue Motorwagen durch interne Maschinenkraft bewegt und nicht mehr von Pferden gezogen wurde.

Der Grad der Automatisierung der Fahrzeugsteuerung variiert. Für den Straßenverkehr wurden durch die SAE International (Society of Automotive Engineers) deshalb fünf aufsteigende Automatisierungslevel (SAE-Level) vorgegeben. Ein Autonomes Fahren im eigentlichen Sinne – also ein Fahren ohne zwingend notwendige Anwesenheit eines menschlichen Fahrers – ist ab Level 4 gegeben:

  • Level 1: unterstützende Assistenzsysteme für den Fahrer
  • Level 2: Teilautomatisierungen (fahrerüberwacht: Einparken, Spurhaltung, Stauassistent)
  • Level 3: automatisierter Fahrmodus (Fahrer anwesend, übernimmt bei Bedarf Fahrzeugführung)
  • Level 4: autonomer Fahrmodus (Fahrer optional, Eingriff nur im Ausnahmefall)
  • Level 5: Vollautomatisierung (komplett fahrerloser Betrieb)

Im Schienenverkehr existieren ebenfalls fünf aufsteigende Automatisierungsgrade (Grade of Automation – GoA), die vom manuelles Fahren (GoA 0) bis zum vollautomatische fahrerlose Zugbetrieb (GoA 4) reichen.

Während teilautomatisierte Fahrzeuge heute bereits weit verbreitet sind, finden sich vollautomatisierte Fahrzeuge bisher typischerweise nur auf streng abgeschlossenen, vollständig kontrollierten Verkehrswegen (U-Bahn, Produktionshallen). Zukünftig werden vollautonome Fahrzeuge jedoch auch im Mischverkehr verkehren – also auf Verkehrswegen, die auch von anderen Verkehrsteilnehmer benutzt werden, insbesondere im öffentlichen Straßennetz.

Anwendungsfall Personentransport

Automatisch/Autonom fahrende Fahrzeuge werden für den Personentransport sowohl im Individualverkehr (IV) als auch im Öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) eingesetzt (werden). Beide Marktsegmente unterscheiden sich jedoch voneinander.

  • Im IV stehen fahrerüberwachte Teilautomatisierungen (Fahrerassistenzsysteme: ADAS – Advanced Driver Assistance Systems) im Vordergrund, die geographisch „überall“ verwendet werden können, aber kein autonomes Fahren im eigentlichen Sinn darstellen (SAE-Level 2/ggf. 3).
  • Im ÖPV wird dagegen ein tatsächlich autonomer, fahrerloser Fahrzeugbetrieb (SAE-Level 4/5) angestrebt. Hierfür kommen People Mover (Schiene, Straße) resp. flexible Robotaxis (Straße) zum Einsatz.

People Mover, auch: automated people mover (APM) – sind liniengeführte, autonom fahrende Passagier-Shuttles. Auf dedizierten Routen im abgeschlossen Bereichen (Flughafen, Messe, Business Parks) sowie als vollautomatisierte U-Bahnen sind solche Shuttles bereits seit Jahren im Einsatz.

Ein zukünftiger Einsatz als autonom fahrende Roboterbusse im Mischverkehr auf öffentlichen Straßen wird an verschiedenen Orten erprobt, u.a. in

  • Bad Birnbach (DB, seit 2017)
  • Monheim am Rhein (Easymile, seit 2020)
  • Rochester, MN (Med City Mover, 10/21-08/22)
  • Guangzhou/China (WeRide, seit 2022)
  • Friedrichshafen und Mannheim (Rabus)
  • Kehlheim (KelRide)
  • Stavanger (Standard-Großbus/Elektrobus e-Atak von Karsan/Adestec, seit 06/2022)
  • Bodø (Toyota/Sensible 4, ab 06/2022)
  • Rackwitz / Nordsachsen (FLASH, 07-10/2022 – „mit bis zu 70 km/h eines der schnellsten automatisiert fahrenden Busse in Deutschland“)
  • Ilmenau (Easymile, ab 09/22)
  • Frankfurt Riederwald (Easymile, ab 09/22)

Öffentliche Robotaxis, also fahrerlose Taxiservices, gibt es heute bereits in China und in den USA, u.a. in

Für die nahe Zukunft geplant sind Projekte u.a. in München, Paris und Tel Aviv (MoovitAV von Mobileye und Sixt) sowie Dubai (GM’s Cruise), Kalifornien (Amazon’s Zoox) und erneut Peking (Pony.ai). Bemerkenswert ist jedenfalls die Dominanz des chinesischen Unternehmens Baidu (Apollo Go), der mit Abstand größte Anbieter für autonom fahrende Taxi-Dienste weltweit, noch vor den führenden US-Anbietern Waymo und Cruise. 

Teilweise fahren People Mover und Robotaxis tatsächlich bereits fahrerlos, größtenteils sind in den Fahrzeugen aber noch regulär „Sicherheitsfahrer“ an Bord, die in Problemfällen lokal eingreifen (SAE-Level 4). Gleichzeitig haben die die ersten Autobauer die Zulassung von selbstfahrenden Fahrzeugen ohne menschliche Bedienelemente wie Lenkräder und Bremspedale bereits beantragt (GM Cruise Origin, Amazon Zoox VH6 und Ford).

People Mover und Robotaxis des ÖPVs verkehren immer in (räumlich) abgegrenzten Einsatzgebieten. Sie sind in der einen oder anderen Art immer auf eine ausreichende Infrastruktur angewiesen (Überwachung, Wartung, Reinigung). Das Gesamtsystem – die autonomen Fahrzeuge und die notwendige Infrastruktur – wird als autonomes (Personen-)Transportsystem bezeichnet.

Fahrer in herkömmlichen Bussen, Straßenbahnen und Taxis haben neben den eigentlichen Fahraufgaben weitere Aufgaben inne, wie die Auskunftserteilung für Fahrgäste und die Überwachung der Passagiere (Sicherheit, Gesundheit und Sauberkeit für alle Fahrgäste), teilweise auch den Fahrausweisverkauf/Fahrausweiskontrolle. In vollautomatisierten Fahrzeugen ohne Fahrer und Begleiter müssen diese Aufgaben mit entsprechenden technischen Systemen, wie z.B. einer (automatischen) Innenraumüberwachung mit angeschlossenem Kontrollzentrum sowie einer zuverlässigen Fahrgastinformation realisiert werden.

Anwendungsfall Gütertransport

Für den Gütertransport (Cargo) wird – wie beim Öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) – ein tatsächlich fahrerlose Betrieb von Fahrzeugen angestrebt. Einsatzgebiete für Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTS) finden sich sowohl im kleinräumigen Maßstab als auch im Regional- und Fernbereich.

Im kleinräumigen Maßstab optimieren autonom agierende Lieferroboter (Autonomous Mobile Robots: AMRs) die Nachschubversorgung zwischen Lager und Montagelinien in Produktionsfirmen oder übernehmen den Zimmerservice in Hotels und Krankenhäusern resp. die „Bedienung“ von Gästen in Restaurants.

Herausforderung für die AMRs ist dabei enge und dynamische Arbeitsumgebung, die sich die Roboter typischerweise mit zahlreichen anderen (lokalen) Verkehrsteilnehmern teilen müssen.

Bei einfachen, heute bereits verbreiteten Lösungen bewegen sich die AMRs auf fixen Routen. Etwaige Hindernisse auf der Route werden erkannt und deren Entfernung passiv abgewartet. Die Fahrzeuge werden an vorgesehenen Haltepunkten manuell be- und entladen. Bei komplexeren, vollautomatisierten Lösungen erfolgt die Be- und Endladung automatisch, die Routen zwischen den Haltepunkten werden dynamisch ermittelt und etwaige Hindernisse automatisch umfahren.

Für automatisierte Lieferservice (home delivery services, last-mile delivery services) erweitert sich das Einsatzgebiet der AMRs in den öffentlichen Straßenraum (jedenfalls soweit dies heute bereits rechtlich zulässig ist) oder zumindest in Campusbereiche von Universitäten o.ä.. Hersteller von Gehwegrobotern (autonomous sidewalk delivery robots) sind z.B. Telerail, Kiwibot und Serve Robotics. Einen Lieferservice mit Hilfe autonom fahrender PKWs testet Nuro/7-eleven in Mountain View/Kalifornien (seit 2021) und Uber Eats/Serve Robotics/Motional in Los Angeles (seit 2022).

Im Regional- und Fernbereich kommen schließlich autonome Trucks und automatisch verkehrende Güterzüge zum Einsatz. Letztere sind in Australien seit 2018 für den Eisenerztransport produktiv im Einsatz (Rio Tinto, Streckenlänge: 1700 km / 200 Lokomotiven; lediglich die „letzte Meile“ noch mit Lokführer). Autonome Trucks fahren bisher fast ausschließlich im Pilot- oder Testbetrieb, u.a.

  • in Nevada (Daimler Truck’s Freightliner; seit 2015)
  • im Hamburger Hafen (Hamburg TruckPilot; HHLA / MAN, 2018-2021)
  • in Jönköping (Einride’s T-Pod; seit 2019)
  • zwischen Shanghai und Yangshan Port (East Sea Bridge, als LKW-Kolonne – SAIC/Utopilot, seit 2022)
  • in Shenzhen (DeepRoute/Deppon Logistics, seit Juni 2022 – „erste erfolgreiche Kommerzialisierung von autonomer Fahrtechnik für mittelschwere Lkws im chinesischen Frachtverkehr“ – allerdings auf auf die Nachstunden 20h bis 6h beschränkt)
  • in Deqing in der ostchinesischen Küstenprovinz Zhejiang (DAMA Academy/Alibaba, seit Juni 2022)
  • in Arizona (TuSimple/Union Pacific, geplant ab Frühjahr 2022)
  • in Texas (Waymo Via/C.H. Robinson; geplant ab 2022)

Auch die chinesischen Unternehmen Inceptio Technology, Cainiao (Alibaba), PonyTron (Pony.ai) und Geely’s Farizon (Volvo) entwickeln autonom fahrende Lkws.

Einige Experten erwarten, dass sich das autonome Fahren (SAE-Level 4/5) in der Praxis bei den Nutzfahrzeugen (autonome Trucks) besonders schnell durchsetzen wird, sogar noch schneller als mit Robotaxis. Im innerstädtischen Verkehr ergänzen sich beide Anwendungsfälle dagegen sogar, wenn fahrerlose LKWs nämlich auf Daten zugreifen, die von Robotaxis des gleichen Unternehmens in der gleichen Stadt gesammelt werden.

Weitere Anwendungsfälle

Autonomes Fahren umfasst potenziell alle Arten von Fahraufgaben, also neben den produktiven (Transport-)Aufgaben auch die „unproduktive Fahrten“ des betreffenden Fahrzeugs, wie das Abstellen, die Bereitstellung zum Tanken/Laden/Waschen sowie Einsetz-, Aussetz- und Umsetzfahrten. Beispiele:

  • „automatisierte Fahren im Werk“ (AFW): neu produzierte PKWs fahren nach Motor-Einbau und erster Prüfung automatisiert von der Montagehalle in den „Finishbereich“ des Werkes resp. bis zum Versandplatz (BMW, Werk Dingolfing, seit 2022)
  • Bereitstellung von Mietwagen, die per Fernsteuerung vor die Haustür des Kunden oder an einen anderen bestimmten Abholort gebracht werden (Las Vegas, Halo.Car, seit Juli 2022 – The electric car that drives to you).

Autonomes Fahren kommt darüber hinaus auch bei Fahrzeugen zum Einsatz, die nicht im eigentlichen Sinne Transport- sondern spezifische Arbeitsaufgaben erfüllen, beispielsweise in der Landwirtschaft und im Weinbau (Traktoren), für die Straßen- und Schienenreinigung (Wartungsfahrzeuge) oder bei Erkundungsfahrten (Serviceroboter). Hersteller von autonom fahrenden Traktoren (neu oder Umrüstung) sind z.B. John Deere/Bear Flag Robotics, Monarch Tractor und Fieldin/Midnight Robotics.

Warum: Autonomes Fahren?

Warum: Autonomes Fahren?

Autonomes Fahren ist – neben der E-Mobilität – ein Megatrend im Mobilitätssektor. Die übergeordneten Erwartungshaltungen sind Verbesserungen bei Sicherheit und Angebot, Ressourcen-Einsparungen sowie Effizienzsteigerungen.

Personentransport

Im Bereich des Individualverkehr (IV) wird durch die Einführung von (teil-)autonom fahrenden Fahrzeugen eine Senkung von Unfallzahlen angestrebt, da ein großer Teil der heutigen Verkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen ist. Außerdem soll der Fahrkomfort für den Fahrer gesteigert werden resp. der Fahrer entlastet werden, indem monotone Aufgaben übernommen werden.

Interessanterweise ist eine Vollautomatisierung von PKW – abgesehen von Luxuslimousinen – aus Sicht des traditionellen IVs von untergeordnetem Interesse, da diese Entwicklung im Breitensegment den IV letztendlich ad absurdum führen wird. Wenn vollautomatisierte Robotaxis jederzeit einfach und preiswert für beliebige Tür-zu-Tür-Verbindungen zur Verfügung stehen, ist die Anschaffung von Privat-PKWs für weite Teile der Bevölkerung kommerziell kaum noch interessant. Die Vollautomatisierung der PKWs wird vielmehr dazu führen, dass einzelne Unternehmen große Flotten autonomer Fahrzeuge (öffentlich Robotaxis) betreiben, während die Anzahl der Privat-PKWs signifikant reduziert wird (Mobility as a Service, Sharing Economy).

Aus Sicht des öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV) soll das Autonome Fahren neben Kosteneinsparungen (Personalkosten) ein flexibleres und attraktiveres Angebot für mehr Fahrgäste ermöglichen. Letzteres könnte ebenfalls zu einer allgemeinen Reduzierung des IVs zugunsten des ÖPVs und damit zu einer deutlichen Entlastung des Straßennetzes führen, welches insbesondere in urbanen Regionen ggf. sogar zugunsten anderer Nutzungsformen zurückgebaut werden könnte (Verkehrswende). Für den ländlichen Raum wird eine endlich auch finanzierbare Option für einen flächendeckender(er) Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs erhofft.

In Summe könnte das Autonome Fahren somit mittelfristig zu einer Verschmelzung der beiden Sektoren Individualverkehr und öffentlicher Personenverkehr und damit zu einer deutlichen Effizienzsteigerung im Gesamtsystem führen.

Gütertransport

Im Cargo-Bereich soll Autonomes Fahren helfen, die ansteigenden Transport-Volumina bei gleichzeitig signifikanter Abnahme der Verfügbarkeit von Fahrern zu realisieren.

Der zentrale Vorteil Kosteneinsparung ergibt sich sowohl aus der Reduzierung der Personalkosten als auch aus der besseren Ausnutzung der Fahrzeuge (Wegfall von Ruhezeiten, Reduktion von Standzeiten). Bei kleinräumigen Lieferdiensten, mit denen insbesondere Lebensmittel oder Mahlzeiten verteilt werden, ergeben sich Einsparungen auch durch die ungleich geringere Größe der „Lieferfahrzeuge“.

Welche konkreten Lösungen sich im Fernverkehr durchsetzen werden, hängt u.a. auch von der (gesetzgeberischen) Frage ab, unter welchen Bedingungen Ruhezeiten für abschnittsweise inaktive (nur noch „mitreisende“) Fahrer angerechnet werden dürften.

Wie: Autonomes Fahren?

Wie: Autonomes Fahren?

Die Umsetzung des Autonomen Fahrens ist sowohl eine technische als auch eine gesetzgeberische Fragestellung. Darüber hinaus entsteht im Kontext des Themas die Notwendigkeit, bestehende Geschäftsmodelle anzupassen.

Technische Herausforderung

Ist die Infrastruktur eines Transportsystems in sich abgeschlossen, wie dies u.a. bei U-Bahnen mit einer vollständigen Überwachung des gesamten Streckennetzes der Fall ist, so wird die Steuerung der Fahrzeuge im einfachsten Fall durch die Infrastruktur selbst geleistet. Es wird somit ein Form des Autonomen Fahrens implementiert, bei dem die Fahrzeuge selber nicht autonom unterwegs sind.

Die Infrastruktur wird hierfür mit komplexen streckenseitigen Zugbeeinflussungssystemen mit unmittelbarer Einwirkung auf die Triebfahrzeuge ertüchtigt, wie LZB (Linienförmige Zugbeeinflussung; bei U-Bahnen, Stadtbahnen und Vollbahn) resp. ETCS (European Train Control System). Die Fahrzeuge können bei solchen Lösungen vergleichsweise „dumm“ bleiben – die Fahrzeugsoftware wertet lediglich empfangene Vorgaben der intelligenten Infrastruktur aus und steuert die Hardware-Komponenten entsprechend an (Aktorik – Treiben, Bremsen).

Je offener die Infrastruktur (das Streckennetz) jedoch auch für andere Verkehrsteilnehmer ist und je weniger die Infrastruktur die beteiligten Fahrzeuge direkt steuern und kontrollieren kann, um so höher werden die Anforderungen an die Fahrzeuge selbst, da die Fahrzeuge tatsächlich autonom agieren müssen.

Sensorik: Daten, Daten, Daten

Tatsächlich autonom fahrende Fahrzeuge werden mit einer umfangreichen Sensorik für eine möglichst vollständige Erfassung ihrer Umgebung ausgestattet.

Die Sensorik besteht typischerweise aus einer Kombination (Sensorfusion) von aktiven LiDAR-, Radar- und Ultraschallsensoren (Laufzeitmessung / Echoortung) sowie von passiven optischen Sensoren (Kameras), als zusätzliche Sicherheitsstufe optional auch mit Wärmekameras.

  • LiDAR-Sensoren senden Laserstrahlen aus, mit denen fremde Objekte zentimetergenau dreidimensional erfasst/separiert/klassifiziert werden. LiDAR-Sensoren stellen zuverlässig Umgebungsinformationen bereit, sind aber vergleichsweise kostenintensiv.
  • Radar-Sensoren liefern kostengünstig zuverlässige Informationen über Standorte (Abstände) und Geschwindigkeiten fremder Objekte. Die räumliche Auflösung ist geringer als bei LiDAR, so dass der Klassifizierung der erfassten Objekte eingeschränkt ist. Neuere bildgebenden Sensoren (Imaging Radar, 4D-Radar oder Full-Range-Radar) können auch hochauflösende Bilder liefern. Die besten Ergebnisse werden mit einer Kombination von Radarsensoren (Kanälen) für unterschiedliche Distanzen erreicht (Short-Range-Radar Systeme im Nahbereich, Long-Range-Radar Systeme bis zu 300 Metern). Im Verkehrsgeschehen wird die Qualität der Radarmessung durch Stör- und Umwelteinflüsse, wie Interferenzen durch andere (Radar-)Geräte sowie extreme Witterungsbedingungen negativ beeinflusst, was ein entsprechendes „Entrauschen“ notwendig macht.
  • Ultraschallsensoren liefen ebenfalls zuverlässig und kostengünstig Abstandsinformationen, dies jedoch nur für eine sehr begrenzte Reichweite (max.10 Meter).
  • Kameras bieten kostengünstig hoch-aufgelöste farbige Abbildungen der Umgebung und können u.a. Straßenschilder und Fahrbahnmarkierungen erfassen, gelten aber als anfällig bei ungünstigen Umweltbedingungen (Niederschlag, Gegenlicht und Dunkelheit). Entfernungen werden indirekt ermittelt (Stereokameras).

Dem Multi-Sensor-Ansatz steht der u.a. von Tesla und Toyota verfolgte „Pure Vision“-Ansatz gegenüber, bei dem die Umgebung das Fahrzeugs ausschließlich mit hochauflösenden Kameras erfasst wird. Nur-Kamera-Lösungen haben einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber dem Multi-Sensor-Verfahren, da letzteres noch immer als komplexes und störanfälliges Verfahren gilt. Der Pure-Vision-Ansatz wiederum benötigt komplexere Algorithmen bei der Auswertung der erfassten Daten resp. umfangreichere Datensätze für das Training der hinterlegten Modelle. Eine Zwischenlösung stellen Systeme da, die primär auf Kameras (Pure Vision) beruhen, redundant jedoch Lidar-Sensoren für schwierige Licht- oder Strassen-Szenarien mitführen.

Software

Die Auswertung der erfassten Umgebungsdaten erfolgt in einer sicheren und leistungsfähigen Echtzeit-Steuerung (zentrale Recheneinheit; ECUs – Electronic Control Units). Auf Basis der erfassten Umgebungsdaten (Sensorik), hinterlegter hochauflösender Digital-Karten, GPS-Informationen sowie von vortrainierten KI-Modellen werden in Echtzeit fortlaufend datengetriebene Entscheidungen für den weiteren Fahrtverlauf getroffen und an die die Aktorik (Treiben, Bremsen, Lenken) übermittelt.

Die in der Software der Steuerung implementierten Algorithmen sind der Schlüsselbaustein für einen erfolgreichen autonomen Fahrbetrieb im Straßenverkehr. Die Software wird u.a. von darauf spezialisierten Firmen wie von Teraki entwickelt. Mit OpenPilot existiert auch eine Open Source Software für autonomes Fahren. Diese kann zusammen mit einem Hardware-Set für die Nachrüstung in verschiedenen PKWs eingesetzt werden – eine entsprechende Gesetzeslage vorausgesetzt.

Für das Autonome Fahren sind in der Steuerung des Fahrzeugs pro Minute mehrere Gigabyte Daten zu verarbeiten und auszuwerten. Die notwendige Rechenleistung im Fahrzeug entsprecht einer zweistelligen Anzahl an Laptops. Eine Vorverarbeitung der Daten auf den Sensoren reduziert die Rechenlast auf der zentralen Auswerteeinheit.

Kommunikation

In autonomen Transportsystemen, bei denen die Fahrzeuge von Infrastruktur aus gesteuert werden, ist eine permanente Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der zentralen Leitstelle (o.ä.) offensichtlich zwingend erforderlich.

Tatsächlich autonom fahrende Fahrzeuge sind auf eine solche dauerhafte Verbindung nicht angewiesen. Der drahtlose Austausch von Informationen und Daten ist jedoch trotzdem aus mehrfacher Hinsicht vorgesehen:

  •  mit der Car2Car-Kommunikation (v2v communication) tauschen Fahrzeuge bilateral Informationen zum eigenen Fahrtstatus resp. zu der Umgebung, in der sie unterwegs sind, aus und erweitern auf diesem Wege die jeweils mit den eigenen Sensoren erfassten Umgebungsinformationen. Im Ergebnis stehen den Echtzeitsteuerungen der einzelnen Fahrzeuge jeweils eine umfassendere Datenbasis für notwendige Entscheidungen zur Verfügung.
  • bei der Car2Infrastruktur-Kommunikation (v2i-communication, vehicle-to-roadside – v2r communication, v2x communication) erfolgt der Austausch mit Verkehrsinfrastruktur-Elementen wie Ampeln o.ä. – mit dem gleichen Ergebnis einer umfassendere Datenbasis für die Echtzeitsteuerung im Fahrzeug. Umgekehrt könnten auf diesem Wege Ampelanlagen angesteuert werden, wie dies im herkömmlichen ÖPV (Busse, Straßenbahnen) im lokalen Bereich bereits üblich ist.
  • die (kontinuierliche) Kommunikation zu einer zentralen Leitstelle ermöglicht die Überwachung einer Fahrzeugflotte im Sinne eines IoT-Systems. Die Leitstelle wiederum übermittelt den Fahrzeugen Fahrtaufträge (Robotaxis, Lieferdienste) sowie aktuelle Information zur Verkehrslage, die bei der Routenplanung (Navigation) im Fahrzeug berücksichtigt werden. Für SAE-Level 4 Systeme ist die Verbindung zur Leitstelle zwingend erforderlich, um etwaige problematische Situationen remote erkennen und auflösen zu können.
  • Updates von Software und Kartenmaterial sowie das Aktivieren/Deaktivieren von einzelnen Softwarefunktionen erfolgt ebenfalls Over the Air (OTA).

Die drahtlose Kommunikation erfolgt entweder über Mobilfunknetze (zukünftig insbesondere über den neuen Mobilfunkstandard 5G) oder WLAN, die notwendige Standardisierung ist hierzu nicht abgeschlossen. Die Sicherheit und Zuverlässigkeit der benutzten Verbindungen ist insbesondere bei steuernden externen Eingriffen essentiell.

Safety und Security

Bei der Umsetzung der technischen Lösung sind Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, für Straßenfahrzeuge entsprechend der Norm ISO 26262 (Funktionale Sicherheit im Automobil), für Schienenfahrzeuge entsprechend EN 50126/50129.

Safety-Anforderungen sichern die Verkehrssicherheit ab und beziehen sich auf die gesamte funktionale Wirkungskette, also von der Sensorik über die zentrale Recheneinheit und ihrer Software bis hin zur Aktorik. So müssen Fahrzeuge ab SAE-Level 3 über technisch redundantes Lenk- und Bremssystem verfügen und mehrere Softwarepfade implementieren. Der Nachweis der funktionalen Sicherheit autonom fahrender Fahrzeuge ist angesichts der Komplexität der Steuerungsaufgaben schwierig. Der Fahrzeug-Rückruf von Pony.ai (März 2023) auf Grund eines vorangegangen Unfalls (ohne Personenschaden) im autonomen Fahrmodus zeigt, dass kritische Softwarefehler nicht vollständig ausgeschlossen werden können.

Darüber hinaus müssen die Systeme so gestaltet sein, dass eine Kompromittierung durch Dritte ausgeschlossen ist. Entsprechend der rasch fortschreitenden IT-Entwicklung müssen diesbezügliche Security-Maßnahmen fortlaufend geprüft und ggf. nachgeschärft werden.

Gesetzgeberische Maßnahmen

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für das autonome Fahren im öffentlichen Raum müssen auf regulatorischer Ebene national und international festgelegt werden.

Die internationale Wiener Konvention für den Straßenverkehr (1968) – der völkerrechtliche Rahmen für die Gestaltung des nationalen Verkehrsrechts – folgte dem Grundgedanken, dass jedes Fahrzeug, das sich in Bewegung befindet, einen Fahrzeugführer habe, und dass ein Fahrer jederzeit die volle Kontrolle über sein Fahrzeug haben müsse. Seit 2016 gilt eine Erweiterung, demnach automatisierende Systeme bedingt zulässig sind – wenn sie vom Menschen jederzeit abgeschaltet werden können. Vollständig autonom fahrende Fahrzeuge ohne Anwesenheit eines Fahrers lässt die Konvention bis heute nicht zu. Auch die EU-Verordnung von Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern setzt die ständige Anwesenheit einer fahrzeugführenden Person voraus. Die technische Wirklichkeit eilt der notwendigen Überarbeitungen der international gültigen Regularien jedenfalls voraus.

So werden Test und Einsatz des Autonomen Fahrens heute von nationalen Gesetzen geregelt, die schrittweise angepasst werden. In Deutschland wurde hierzu 2017 das „Gesetz zum automatisierten Fahren“ (SAE-Level 3) und 2021 das „Gesetz zum autonomen Fahren“ (SAE-Level 4) verabschiedet. Letzteres erlaubt ein Autonomes Fahren in räumlich festgelegten Betriebsbereichen,  wenn eine „Technische Aufsicht“ jederzeit während des Betriebs das Kraftfahrzeug deaktivieren oder alternative Fahrmanöver freigeben kann. Im Februar 2022 wurde die zugehörige Verordnung veröffentlicht.

In Österreich reguliert die Automatisiertes Fahren Verordnung (AutomatFahrV) von 2016/2019 den Einsatz von Fahrzeugen Fahrzeuge, in denen Assistenzsysteme oder automatisierte Fahrsysteme vorhanden sind.

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